GEDENKMARSCH ERINNERT AN DIE MASSAKER IN SREBRENICA
„Ich war zutiefst geschockt“
Die bosnischen Vereine in Rosenheim halten die Erinnerung an die Toten von Srebrenica aufrecht. Schlecker © OVB
Die bosnische Stadt Srebrenica steht für das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Mehr als 8000 Männer und Jungen wurden innerhalb weniger Tage ermordet, zehntausende Frauen, Kinder und Alte deportiert. Heuer jährte sich dieses grausame Ereignis zum 21. Mal. Weltweit fanden Gedenkveranstaltungen statt. In Rosenheim rief der Verein „Srebrenica 1995“ zu einem Gedenkmarsch durch die Innenstadt auf.
Rosenheim – In Rosenheim gibt es vier bosnische Vereine. Aus ihren Reihen heraus gründete sich im vergangenen Jahr der Verein „Srebrenica 1995“. Vorsitzender ist Alen Avdibegovic. Der Verein dient vordergründig einem formalen Zweck: Aus juristischer Sicht kann nur ein Verein eine Gedenkveranstaltung durchführen. Darüber hinaus haben sich die rund 200 Mitglieder aber auch die Förderung internationaler Gesinnung und Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und der Völkerverständigung auf die Fahnen geschrieben.
Unter den Mitgliedern finden sich einige, die die schrecklichen Ereignisse im Jahr 1995 hautnah miterlebt haben. „Es gibt in Rosenheim acht Familien, die haben bei diesem Massaker einen geliebten Menschen verloren“, erzählt Dervis Hodzic, Zweiter Vorsitzender von „Srebrenica 1995“. Die jährlichen Gedenkveranstaltungen findet er enorm wichtig: „Dieses schreckliche Geschehen darf niemals vergessen werden, damit es nie mehr so weit kommt.“
Dem Gedenkmarsch zum Bahnhof ging eine Gedenkveranstaltung im Kultur- und Kongresszentrum voraus. Eingeladen dazu wurde Renate Metzger-Breitenfellner, freie Journalistin und Autorin aus der Schweiz. Sie hat in den vergangenen Jahren immer wieder mit Überlebenden des Massakers gesprochen. Diese Erfahrungen schilderte sie in einem Vortrag.
Danach verglichen Christian Meixner, Integrationsbeauftragter und Sozialamtsleiter der Stadt Rosenheim, und Markus Bauer von der Sozialen Stadt Rosenheim die Situation der Flüchtlinge in Rosenheim im Jahr 1995 und heute.
Meixner erinnert sich noch gut an die Bilder im Fernsehen, die nach dem Massaker ausgestrahlt wurden: „Ich war zutiefst geschockt.“ Als junger Sachbearbeiter im Sozialamt habe er die vielfältigen Probleme der Flüchtlinge hautnah gespürt. „Ich war dankbar, den Menschen mit der Bewilligung von sozialen Leistungen und der Bereitstellung von Wohnraum im Auftrag der Stadt helfen zu können.“
Im vergangenen Jahr kam die Stadt wieder in eine ähnliche Situation. „Wieder sind in kurzer Zeit viele Menschen angekommen“, so Markus Bauer. Deutschland hat zwischen 1991 und 1995 europaweit die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge aus den Gebieten des ehemaligen Jugoslawien aufgenommen. 350 000 Menschen fanden Zuflucht in der Bundesrepublik. Nach einer Studie der Uni Bamberg wurden lediglich 20000 Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina als Härtefälle eingestuft und blieben dauerhaft in Deutschland. „Ich würde diese Zahlen als Zeichen deuten, dass eine echte Integration, verbunden mit einer wirklichen Wahlfreiheit des Aufenthaltes wohl nur für wenige gelungen ist“, so Markus Bauer. Durch die reine Duldung habe man es vielen unmöglich gemacht, zu arbeiten und eine dauerhafte Existenz aufzubauen: „Wir haben viel Potenzial verschenkt“.
Langfristig und systematisch helfen
Aus diesen Erfahrungen gelte es zu lernen. Heute könnte man es besser machen. Nach den Bildern von überfüllten Zügen und Bahnhöfen mit großen Gruppen von Flüchtlingen gehe es nun darum, systematisch und langfristig zu helfen. Wichtigster Punkt sei die Sprache. Es bedürfe aber auch Arbeitsgelegenheiten und Wohnungsangeboten. Das größte Potenzial sah Bauer in den Kindern und Jugendlichen: „Sie zu fördern, zu begleiten und auszubilden muss unser oberstes und größtes Ziel sein.“